240 Seiten | 19,90 Euro
Jahrzehntelang hatte Dr. phil. Gerhard Raff - seit 1973 schwäbischer Kolumnist der "Stuttgarter Zeitung" und mit seinem Klassiker "Herr, schmeiß Hirn ra !" laut "Deutscher Verlags-Anstalt" der
"meistgelesene Dialektautor der Gegenwart" weltweit - stets stur an "Schwäbisch, der neben Griechisch und Lateinisch wichtigsten Kultursprache des Abendlandes" festgehalten.
Mit diesem Titel hat er aus humanitären Gründen der Anregung etlicher (mit dem Dialekt offensichtlich geistig überforderter) Leser/innen nachgegeben und ist freundlicherweise deren Bitte gefolgt
und hat dieses informatiefsinnige und zugleich "rotzfreche und blitzgescheite Buch" in der von ihm (zumindest schriftlich) perfekt beherrschten Hochsprache verfasst und von Professor Dieter Groß
mit köstlichen Karikaturen noch veredelt bekommen.
Er unterstützt damit in gewohnter Weise ein soziales Projekt - dieses Mal das Kinderhospiz in Stuttgart.
Vorwort
Auf den Tag genau zwölf Jahre vor der weltbewegenden Ansprache des sechsten Bundespräsidenten Richard Freiherr von Weizsäcker im Bonner Bundestag zum Ende des Zweiten Weltkrieges, am 8.Mai 1973
erhielt der zum schwäbischen Kolumnisten der „Stuttgarter Zeitung“ auserkorene Verfasser unter dem eindeutig zweideutigen Titel „Degerlocher Löcher“ erstmals daselbst eine Geschichte aus seiner
so manchem mimosenhaften Mitmenschen viel zu frechen Feder abgedruckt. So dass er heuer im Frühjahr in aller Stille sein vierzigjähriges Betriebsjubiläum als Dialektschreiber bei diesem papiernen
Premiumprodukt begehen konnte.
Ein Jahr später hat er dann in der Überschrift über einem Beitrag vom 13.Mai 1974 den mittlerweile im ganzen deutsch-österreichisch-schweizerisch-liechtensteinisch-elsässischen-südtirolischen und
Eupener Sprachraum geläufigen Begriff „Mund-Art“ erfunden und mit selbiger bis zum heutigen Tage eine bedeutende Anzahl hoch gebildeter Leser/innen erfreut. So dass eine 1985 bei der Deutschen
Verlags-Anstalt in Stuttgart unter dem von Herrn Oberbürgermeister Manfred Rommel in einem Leserbrief aufgedrungenen Titel „Herr, schmeiß Hirn ra!“ erschienene und unter etlichem anderem auch mit
dem Thaddäus-Troll-Preis ausgezeichnete Sammlung der Geschichten den Verfasser über Nacht zum Best- und Longseller- und weltweit „meistgelesenen Dialektautor der Gegenwart“ gemacht hat.
Trotz einer hohen Wertschätzung bis in die Feuilletons überregionaler Wettbewerber hinauf, trotz ungezählter Lobeshymnen bedeutender Geister, etwa
„Das entzückende Gegenstück zu meinen schwäbischen Gedichten“ (Sebastian Blau)
„Sie sind der Mozart der Mundartdichtung“ (Albrecht Goes)
„Ihr schwäbisches Buch hat mir etliche gute Stunden gebracht“ (Heiner Hesse)
„Seit Hölderlin hat mir kein Schwabe mehr so viel Freude gemacht wie dieser Raff“ (Werner Walther de Reconvillier)
„Der Dr. Raff von Degerloch / Er lebe lang und 3 x hoch!“ (Loriot)
„Ihr wunderbar köstliches Büchlein, an dem ich mich während des Lachens manchmal fast verschluckt hätte. Es ist immer wieder ein großes Vergnügen, Sie zu lesen“ (Matthias Richling)
oder nicht zuletzt das Lobesliebesgedicht von Richard von Weizsäcker „Der Geist ist rege…“
kamen und kommen in periodischen Abständen wie das Neckarhochwasser bei dem für seinen vielleicht doch etwas übertriebenen Hang zur Selbstironie bekannten Verfasser dronternei immer mal wieder
völlig ironiefreie Schreiben an (vornehmlich bei Vollmond) mit bitterbösen Beschwerden über „dieses unleserliche Geschriebsel“ und wird darin unser wohlklingendes wunderschönes Schwäbisch (neben
Griechisch und Lateinisch die wichtixte Kultursprache des Abendlands) gar als „ordinärer Stuttgarter Straßenkandel-Jargon“ und „Bauerngeschwätz“ und „Proletenslang“ niedergemacht.
Und nicht einmal der dezente Hinweis, dass der Verfasser mit Hilfe der so verachteten und zum Aussterben verdammten Muttersprache der zwei Alberts (Magnus & Einstein) und drei Friedriche
(Barbarossa, Schiller & Hölderlin) Jahr für Jahr jeweils hohe sechsstellige Beträge für soziale und kulturelle Projekte in alle Welt verstiften konnte (die Schwäbische Zeitung spricht von
einer insgesamt „zweistelligen Millionensumme“ und liegt damit genau richtig), hat diese Schwäbischhasser nicht zum Schweigen gebracht.
Auch nicht die wissenschaftlich fundierte Feststellung seines väterlichen Freundes und Förderers Thaddäus Troll selig aus Cannstatt: „Das Hochdeutsche ist ein Klavier, das Schwäbische aber eine
Orgel.“
Auch nicht die wunderschönen Worte des Nobelpreisträgers Hermann Hesse (1877-1962):
„Zu diesem schwäbischen Geist gehört, wie mir scheint, ein Stück Poesie, ein gutes Stück Phantasie und Warmblütigkeit, dazu eine Freude am Einfachen und Stillen, ein gewisser heimlicher,
dauernder Protest gegen Berlin, es gehört weiter dazu Humor und Kunstsinn und das Wissen um den Reiz und Reichtum der heimatlichen Mundart.“
Und auch nicht die allerhöchste Wertschätzung des Dialekts, die diesem und seinen Schreibern noch in den klassischen Glanzzeiten Goethes entgegengebracht wurde. Ja nicht einmal die Tatsache, dass
Genies wie Schiller (neben Dante, Shakespeare und Johann Peter Hebel Europas größter Dichter) und Hegel (gescheitester Kopf ganz Germaniens) wie selbstverständlich broitestes Schwäbisch
gesprochen haben.
Erfreulicherweise aber ergab eine in der Sauregurkenzeit des Sommers 2008 durchgeführte Volksabstimmung in der „Stuttgarter Zeitung“, dass sich über 90 Prozent der Leserschaft für die
Beibehaltung des Dialekts in der (neuerdings jetzt dienstäglichen) Serie „Raffs Raritäten“ aussprachen.
Angesichts dieses geradezu volksdemokratisch-ostzonal anmutenden Ergebnisses hat er sich dankbar gestärkt entschlossen, seiner Kundschaft auch fürderhin einen vermehrten, einem Kulturvolk aber
zumutbaren Aufwand an Hirn bei der doch stets freiwilligen Lektüre seines Produktes abzufordern und ihr so en passant zusätzlich ein kostenloses wöchentliches Hirnjogging und
Antialzheimertraining anzubieten.
Aber seine inbrünstige Bitte an die im Plebiszit unterlegene Miniminorität der Dialekastheniker, aus Toleranzgründen endlich Ruhe zu geben und halt oifach auf die Lektüre zu verzichten, so wie er
beispielsweise die Lektüre der seitenlangen Börsenkurse oder der Berichte über das Fußballspiel FC Hebsack gegen SV Strümpfelbach zeitlebens „prinzipiell verweigert“, aber doch noch nie deren
Abschaffung gefordert hat, blieb unerhörterweise unerhört.
Ein Beispiel aus jüngster Zeit (in originaler Ordogravieh zitiert): „zugegeben, ich bin Norddeutschse – seit über dreißig Jahen in Ludwigsburg ansässig – und dürfte mir eigentlich kein Urteil
über den schwäbischen Dialekt erlauben. Aber wenn ich als sehr interessierte Leserin … dann auf die schwäbische Sprache stoße, die in meinen Ohren und Agen geschrieben noch schrecklicher klingt
als gesprochen, dann bin ich sehr enttäuscht.“
Seien wir nicht unbarmherzig. Um nun die Enttäuschung dieser „Auswärtigen“ mit ihren „media-analylischn Daten in der Regionalzeiung“ und ihrer gleichfalls geifender Gesinnungsgenoss/inn/en etwas
abzumildern, hat sich der für seine Menschenfreundlichkeit gerade auch gegenüber den der Gnade der schwäbischen Geburt nicht teilhaftig gewordenen Menschenkindern mit hohen Orden ausgezeichnete
Verfasser schweren und wunden Herzens entschlossen, dieses Buch da jetzt halt in hochdeutscher Sprache herauszubringen. Zumal er tränenden Auges und betrübten Ohres täglich feststellen muss,
„ach, dass unsere heut’ge Jugend“ (um mit Mörike zu sprechen) auch hierzuländle hauptsächlich dank allgegenwärtiger ekeltronischer Medien mittlerweile miteinander fast nur noch im brutalsten
preußischen Kasernenhofgeschnarre konversiert. Und ihre „Sprache keine Heimat mehr“ hat (um mit Thaddäus Troll zu sprechen). Und sich in seine fast täglichen „nulltariflichen und spesenfreien
Benefizschwätzereien“ kaum mehr Menschen in einem Alter von unter vierzig Jahren verirren und in nicht allzu fernen Tagen im schönen Schwabenland wohl koi Sau mehr dessen schöne Sprache schwätzen
oder gar lesen wird.
●„DESINET AVDIRI MOX INTEGRA SVEBA LOQVELA“ – „Bald wird der lautere Klang des lebendigen Schwäbisch verstummen” steht schon ahnungsvoll resignierend auf dem Grabstein des Gründers, Herausgebers
und Chefredakteurs der „Stuttgarter Zeitung“ Professor Dr. Josef Eberle alias Sebastian Blau (1901-1986) auf dem Rottenburger Sülchenfriedhof. An seiner Seite ruht seine Ehefrau Else, geborene
Lemberger (1905-1989) von Rexingen. Sie war im letzten Kriegswinter in die Wälder entlang der Gäubahn geflüchtet, um dem bereits befohlenen Abtransport in den sicheren Tod zu entgehen.
● „Die schwäbischen Häftlinge verbindet die gemeinsame Heimat. Wir betonen unsere Herkunft aus Württemberg und reden kräftig schwäbisch, wenn wir einander begegnen. Ein Stuttgarter Rechtsanwalt
(Dr. Erich Dessauer aus der Uhlandstraße 21), der (am 16.Oktober 1944) in der Gaskammer von Auschwitz endete, grüsst sogar einmal ‚Hie gut Württemberg allewege!’“ berichtet Maria Zelzer
(1921-1999) in ihrem Buch „Weg und Schicksal der Stuttgarter Juden“.
● „Der Entwicklung unseres Volkes zur einheitlichen Nation stehen zweifellos die Mundarten, die Dialekte im Wege. Es kann deshalb nur das Ziel des Reiches sein, die Einheit auch in der Sprache
anzustreben. Die Hochsprache ist mit Takt zu pflegen; es ist so zu verfahren, daß jede Förderung der Mundarten unterbleibt.“ forderte einst Robert Heinrich Backfisch alias Robert Wagner
(1895-1946), seit 1933 Reichsstatthalter und Gauleiter von Baden und seit 1940 Chef der Zivilverwaltung im eroberten Elsass in einem Erlass an das Unterrichtsministerium.
Angesichts solch einerseits eindrucksvoller und andererseits entlarvender Steitmenz bittet der Verfasser seine treue autochthone Leserschaft um Nachsicht und Verzeihung, wenn er mit diesem
hochdoitschen Buch entgegen den bekannten Forderungen des Glockenspiels der Potsdamer Garnisonskirche mehr als einen Fingerbreit vom rechten schwäbischen Wege abkommt und hofft inniglich, dass
diese bei der ungewohnten Lektüre nicht dasselbe ungute Gefühl im Magen überkommt wie den Autor, wenn er im „Südpreußischen Rundfunk“ in „Erwaatung“ der Nachrichten „zwangswaise“ zuvor jene
halbdackeligen „Weebespotz“ „anhoochen“ muss, in denen unerträglich schnarrende „Maaktschreiaa“ im Stile altgedienter preußischer Leutnants uns weismachen wollen „Wiaa sind Wüüttembeeg“ oder
„Kennaa trinken Wüüttembeegaa“ und uns vor dem „Wettaa“ noch mitgeteilt wird, dass es auf der Autobahn „Stuttgaat-Kaalsruhe kuuz voa dea in den Noodschwaazwald führenden Ausfaaht Pfoozheim“ einen
schlimmen „Verkeehsunfall“ mit einem „Faahzeug der Maake Poosche“ gegeben hat und deshalb die „Veekeehsteilneehmaa“ in einem „drai Kilomeetaa“ langen Stau die „Aufräumungsaabeiten abwaaten“
müssen. „Aames Baaden-Wüüttembeeg. Daa sind wiaa daheim!“
Ond jetz frai nach Vettaa Theodoa Hoiss: „Und nun lest mal schön!“
Degerloch, am 745. Todestag des „letzten Staufers“ Konradin,
König von Jerusalem und Sizilien, Herzog von Schwaben
Gerhard Raff
LESEPROBEN
Zweitausend Jahre Schwaben in Berlin
Vorbemerkung zum besseren Verständnis:
In der seit Urzeiten am Tropf des Länderfinanzausgleichs hängenden Bundeshauptstadt Berlin - nach Aussagen der dortigen Stadtspitze „arm, aber sexy“ – kommt es immer wieder zu rassistisch
bedingten und in ökonomischem Neid begründeten, teilweise geradezu kriminellen Feindseligkeiten gegenüber Mitbürgerinnen und Mitbürgern mit schwäbischem Migrationshintergrund.
Ein durch altwirtembergische Nationaltugenden wie Fleiß, Sparsamkeit, Kehrwoche, Präzision, Perfektion und ein dank einer bereits Mitte des 16.Jahrhunderts vom angestammten Fürstenhaus verfügten
progressiv-demokratischen Schulpolitik hervorgerufener intellektueller Vorsprung hat schon kurz nach dem überfälligen Abgang des auf Bespitzel-, Faulenzer- und Tranfunzelei begründeten
Honeckerich’schen Wirtschaftssystems einen bescheidenen, aber verdienten Wohlstand entstehen lassen, der in den dort schon seit längerer Zeit beheimateten bildungsfernen und schaffereientwöhnten
Schichten und damit traditionell und generationenlang auf „Stütze“ angewiesenen und „Hartz IV“ als Berufsziel und Lebensperspektive aussuchenden Kreisen unverständlicherweise natürlich einen
gewissen Unmut hervorgerufen hat.
Statt sich nun in dieser Auseinandersetzung schützend auf die Seite der ihn finanzierenden, mit Ausnahme ihrer herkömmlichen Sprachmelodie voll assimilierten und beispielhaft integrierten braven
schwäbischen Zuwanderer, Entwicklungshelfer und Exilanten zu schlagen, hat sich der ultraprenzlaumontane Herr Bundestagspräsident a.D. Herr Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse um die
Jahreswende 2012/13 mit schon mehr als saublöd zu bezeichnenden Äußerungen in der „Berliner Morgenpost“ ein geistiges Armutszeugnis ausgestellt. Unter anderem mit Sätzen wie diesen:
„Ich wünsche mir, dass die Schwaben begreifen, dass sie jetzt in Berlin sind und nicht mehr in ihrer Kleinstadt mit Kehrwoche“ und „Ich ärgere mich, wenn ich beim Bäcker erfahre, dass es keine
Schrippen gibt, sondern Wecken.“ In Berlin sage man Schrippen – „daran könnten sich selbst Schwaben gewöhnen“
Nachfolgend nun meine unfreiwillige (so ebbes sott mr ja net amol ignoriere), von der zahlenden Leserschaft der „Stuttgarter Zeitung“ aber demokratisch erzwungene reziplikativ agitpropgressive
Reaktion auf Thierses Lettengeschwätz:
(Abgedruckt in der StZ):
Eigentlich hätte der Verfasser die bundesweit bekannt gewordenen, von einer gewissen Cerebralinsuffizienz zeugenden Aussagen eines vom viel zu gutartigen deutschen Steuerzahler ausgehaltenen
Herrn Bundestagsvizepräsidenten namens W. Th. (Name der Red. und ihrer Kundschaft bekannt) schon aus lebenszeitökonomischen Gründen unkommentiert gelassen. Aber nachdem ihn gefühlte zweitausend
Landsleute und Leser/innen tagelang am Telefon und selbst im Öffentlichen Personennahverkehr zu einer gutachterlichen Stellungnahme aufgefordert haben und zudem am vergangenen Freitag der
langjährige Vorsitzende des 1869 gegründeten „Vereins der Württemberger in Berlin“, der blitzgescheite und überaus liebenswürdige Professor Dr. Dr. Bert Schlatterer aus Kleinmachnow in seiner und
Hermann Hesses Calwer Heimat zu Grabe getragen wurde, sieht er sich moralisch gezwungen, doch noch seinen Senf abzuliefern.
Gleich vorweg, er teilt die von seinem Landsmann und Bestsellerautorenkollegen Ulrich Kienzle in einem persönlichen Schreiben an den Herrn Bundestagsvizepräsidenten wörtlich wiedergegebene
Einschätzung, selbiger sei kein „Halbdackel“ sondern ein „Grasdackel“ vollinhaltlich. Denn auch ein, verglichen mit einem Sparkassendirektor in Bottrop, seine Brötchen (Schrippen, Weckle) viel
schwerer verdienender Politiker in Berlin sollte das Hirn einschalten, ehe er seine Gosch aufmacht.
Und dennoch hat der so wild aussehende und so riegelsdomm rausschwätzende Mann mildernde Umstände und unser tief empfundenes Mitleid verdient. Denn kann man von einem aus Breslau stammenden, der
Gnade der schwäbischen Geburt nicht teilhaftig gewordenen und nicht im „Land der hellen Köpfe und der geschickten Hände“ geschulten, sondern unter der stiefmütterlichen Fürsorge einer
lilahaarigen Ministerin für Volksbildung namens Margot Honecker, geborene Feist aus Halle an der Saale, herangewachsenen Abiturienten erwarten, dass er weiß:
Erstens, dass der einst aus der ostseeischen Urheimat, vom „Mare Suebicum“ – dem verglichen mit dem bescheidenen Bodensee eigentlichen „Schwäbischen Meer“ - losgezogene, etwa seit Christi Geburt
rechtmäßig an Havel, Spree und Elbe ansässige hochintelligente Stamm der Schwaben jenen für den Anbau von Trollingerrebstöcken so gänzlich ungeeigneten Landstrich einst freiwillig und
entschädigungslos geräumt hat, um sich dann seit anno 259/60 unter Überwindung des vom römischen Kaiser Hadrian und seinen Nachfolgern errichteten antischwabistischen Schutzwalls namens Limes im
Rahmen der allgemeinen Völkerwanderung hier an Neckar, Reuß, Rhein und Donau niederzulassen.
Zweitens, dass das anno 1237 erstmals urkundlich erwähnte, anno 1307 dann mit dem erst anno 1244 in einer Urkunde auftauchenden Berlin zwangsvereinigte Städtchen Cölln an der Spree den
lateinischen Namen „Colonia ad Suevum“ (Kolonie zu den Schwaben) trägt.
Drittens, dass die Wiederbesiedlung der in der Völkerwanderung unserer so voreilig dem „schlawenischen Volck“ überlassenen Ostgebiete hauptsächlich unter dem „edelsten Geschlecht, das je die
deutsche Krone getragen“ - unter unseren schwäbischen Hohenstaufen erfolgte: Unter Kaiser Friedrich I. Barbarossa „lobesam“ war anno 1157 bereits das slawische „Brennabor“ (Brandenburg) erobert,
unter seinem als „erster Europäer“ gerühmten Enkel Friedrich II. („der größte unter den Fürsten der Erde und das Staunen der Welt“) war anno 1226 der mit nachgeborenen schwäbischen Ritterskindern
aufgefüllte „Deutsche Orden“ nach Preußen gerufen worden. Und man darf diesen uns besonnenen Schwaben rein rhetorisch so überlegenen Berliner Schnauzen und Schnellschwätzern ruhig mal sagen, dass
es das urschwäbische Haus Hohenzollern war, das, anno 1415 auf dem Konstanzer Konzil mit der Markgrafschaft Brandenburg belehnt, seit 1451 von ihrem zu Cölln an der Spree errichteten
Kurfürstlichen Schloss aus das hinterkiefernwäldlerische, provinzielle Preußen anno 1701 zum Königreich und schließlich anno 1871 zum Kaiserreich aufsteigen ließ – nachdem zuvor preußische
Soldateska allhier die Achtundvierziger Revolution brutal niedergeschossen hatte und anno 1866 der aggressive Herr von Bismarck mitten im jahrzehntelangen Frieden in nicht eben freundschaftlicher
Weise bei uns einmarschiert war und das Großherzogtum Baden samt dem Königreich Württemberg in eine „Colonia ad Prussorum“ verwandeln konnte.
Solchem unfriedlichem und unterdessen völlig unschwäbischem hochnäsigem Gehabe, vereint mit dumpfer Kasernenhofmentalität, war es dann auch zuzuschreiben, dass es anno 1918 mit der
Hohenzollernherrlichkeit vorüber war und anno 33 ein in seiner Heimat mit Recht erfolgloser Österreicher Anstreicher mit seiner grauslichen Gosch im großgoschigen Berlin Kanzler werden konnte und
das Reich so total in den Abgrund führte, dass am traurigen Ende der „Uncle Joe“ (der mit einem schwäbischen Mädle verheiratete Genosse Stalin) und der „Uncle Sam“ (der aus dem Unterland
stammenden „Ike“ Eisenhower) und der „John Bull“ (mit dem mütterlicherseits dem Hause Württemberg-Teck entsprossenen König George VI.) und die „Marianne“ (dank Charles de Gaulle, dem Général mit
württembergischer Ahnentafel) das zerstörte Land im vormals ganz, jetzt gottlob wenigstens wieder teilweise schwäbisch besiedelten Potsdam unter sich aufteilen konnten.
Möglicherweise aber ist die pathologische Suevophobie des Herrn Th. ja auch mit den Albträume hervorrufenden Erinnerungen an aus Schwaben zugereiste Ostzonenobere wie den Cannstatter Pfarrersohn
Edwin Hoernle (Zwangskollektivierer), den Feuerbächer Bauernsohn Heinrich Rau (Wirtschaftsminister), den Bietigheimer Arbeitersohn Kurtle Hager (Stuttgarter Wilhelmsoberschüler, Chefideologe und
bis zuletzt stalinistischer Betonkopf) und den Hechinger Doktorsbuben Markus Wolf (Stasihäuptling und Spionagechef) zu erklären.
So sei Ihnen, Herr Bundestagsvizepräsident, Ihr saublödes Gschwätz und vorgestriges Gelaber gütigst und gnädigst verziehen, auch in tiefer, aber neidvoller Bewunderung Ihrer außergewöhnlichen
Fähigkeiten, mit minimalem hirnarmem Gefasel tagelang die bundesdeutsche Medienlandschaft zu beherrschen, während der Verfasser mit seinem von Vicco von Bülow illustrierten Buch „Mehr Hirn!“ und
seiner „frechen, aber segensreichen Gosch“ errafften, vom (allerdings vorbestraften) Schatzmeister Otto Graf Lambsdorff auf „über 1,25 Millionen DM“ bezifferten Beitrag zur Rettung des Hohen Doms
in Loriots Geburtsstadt Brandenburg an der Havel im Südpreußischen Rundfunk mit keiner Sendesekunde und in den hiesigen Gazetten mit keiner Zeile bedacht wurde. Vielleicht sollte er mal mit dem
Elektrorasierer auf Sie losgehen?
Ein edler Filderbauer
Die nicht nur ihrer Krautköpfe wegen gerühmte überaus fruchtbare Filderebene im Herzen des Herzogtums, späteren Königreichs Württemberg hat eine ganze Fülle bedeutender und gescheiter Köpfe
hervorgebracht. Einer von ihnen: der Wilhelm Hertig.
Seine Altvorderen sind allesamt rechte, stolze und fleißige Filderbauern gewesen, und selbst sein hochfürstlicher Heldenahn, der „Carl Herzich“, hat ja mit seiner Franziska in Hohenheim gelebt
wie ein Filderbauer unter Filderbauern. Und sein Vater, der Gottlob Hertig, hat das Bauernmädle Christiane Walker geheiratet, auch so Filderuradel, und die hat am 16.Januar 1912 zusammen mit der
Hebamme den Wilhelm daheim in der Stub in Plieningen auf die Welt gebracht. Und dort ist er aufgewachsen, auf dem Acker und im Kuhstall, und in der Evangelischen Volksschule hat er alle die
schönen Verse vom Schiller, vom Mörike, vom Hölderlin und so gelernt, dass er sie noch im hohen Alter auswendig hat hersagen können, und hat auch schon früh selber eigene Verse gemacht.
Und wie alle die Hertig davor, seit wir Alemannen (= Schwaben) im dritten Jahrhundert die alten Römer davongejagt und uns auf deren fruchtbaren Feldern mit den meterdicken Lößböden, in den
Ingen-Dörfern angesiedelt haben, ist natürlich auch er ein Bauer geworden. Denn trotz seinem „schönen Gelehrtenschädel mit dem rotblonden Haar“ (Erbteil vom Ahnherr Herzog Carl Eugen) hat
seinerzeit so ein Bauernbub nicht auf die Oberschule gehen dürfen. Aber wenigstens ist der Wilhelm nach Hohenheim und hat dort den Obstbau studiert und ist obendrein auch noch Baumwart geworden.
Sonst aber hat er halt jahraus, jahrein sein Spitzkraut gepflanzt, seine Grombiere gsteckt und seine Angerschen und seinen Weizen und Haber gesät und geerntet und seine Milchkühe gemolken und ist
mit seinem Gaulsfuhrwerk durch den Flecken und auf die Felder gefahren. Bis dann der große Krieg angefangen hat. Und anders als sein Bruder Albert, der in Russland gefallen ist, hat der Wilhelm
anno 1947 aus dem Krieg, aus der Gefangenschaft heimkommen dürfen. Dort in dem Lager Rosswell in New Mexico hat der „PW Hertig“ 1946 in seinem Heimweh das folgende Gedicht geschrieben:
„Heimat, wie liebe ich dich so sehr
Der Weg führt mich wieder zu Dir übers Meer
Bin ja von dir schon so lange fort
Kehr nun zurück an den trauten Ort
An den Ort, wo meine Wiege noch steht
Wo meine Mutter sprach mit mir das erste Gebet
Wo vor dem Haus der Brunnen rauscht
Wo ich der Vöglein Lieder gelauscht
Wo die Schwalben haben ihr Nestlein gebaut
Wo mir jede Stimme ist so vertraut
Wo ich begrüße meine Lieben
Die trotz weiter Ferne
So nah mir geblieben
Wo ich erlebte der Jugend Glück
Zu dir, liebe Heimat, kehr ich zurück.“
Am 1.April 1942 hatte der großkotzige Goldfasan Karl Strölin, anno 33 ins Amt gedrückter Oberbürgermeister von „Groß-Stuttgart“, bei Nacht und Nebel mit den ganzen Filderdörfern Vaihingen, Rohr
und Möhringen auch sein geliebtes Plieningen nach bewährter Manier ungefragt einkassiert gehabt. Und jetzt ist das losgegangen, dass diese Stinkstiefel in Stuttgart diese einzigartig fruchtbare
Landschaft (schwäbischer Plural: das Brett, die Britter und das Feld, die Filder) in ihrer Habgier und ihrem Unverstand und mit ihrer Salamitaktik nach und nach in eine Betonwüste verwandeln. Und
der „Landwirtschaftliche Ortsobmann“ Wilhelm Hertig ist aufrechten Hauptes und mit offener, freier Rede hin gestanden und hat den hochnäsigen Herrschaften im Rathaus und auf Reitzenstein auf
seine feine Art, aber deutlich die Meinung gesagt. Und anno 1967 hat er zusammen mit der tapferen Frau Dr. Liesel Hartenstein (1928-2013) und vielen anderen gescheiten Leuten die (jetzige)
„Schutzgemeinschaft Filder“ gegründet. Und wenn sie auch leider nicht viel von dem fruchtbaren Filderboden retten konnten (die Beton- und Asphaltmafia und die Juristen halten doch zusammen wie
die Filzläuse), so haben sie doch wenigstens das Nachtflugverbot erreicht und die Fluglärmkommission hingekriegt. Und sie hoffen bloß, dass diese unselige „Zweite Startbahn“ für alle Zeiten nicht
bloß in der Schublade verschwindet, sondern in der „Grünen Tonne“.
Und der auch bei seiner Gegnerschaft hoch angesehene Wilhelm Hertig hat seiner Lebtag lang alle Orden und Ehrenzeichen dankend abgelehnt. „Von einer Landesregierung, die auf den Fildern nur
Ungutes anrichtet, könne er keine Ehrung annehmen.“
„Ruft der Herrgott mich einst zur Ruh,
so deckt mit kühlender Erde mich zu.
Legt auf diesen Friedhof mich hin,
in dem Dörflein, da ich geboren bin.
Im weiten Umkreis ist es bekannt:
Es ist Plieningen,
die Perle der Filder genannt.“
Aber kaum dass er am 26.April 2004 daheim in seiner Bauernstube gestorben gewesen war, und ihm eine riesige Trauerschar auf dem Plieninger Kirchhof an der Martinskirche auf die Leich gegangen
ist, hat man ihn einen Steinwurf weg von seinem Grab mit dem „Wilhelm-Hertig-Weg“ geehrt. Und bald ist ihm auch noch sein Weib nachgefolgt, seine Emma, geborene Blauss (1920-2007). Die hat die
ganzen Kriegsjahre auf ihn gewartet gehabt und für ihn gebetet, und gleich nachdem er aus der Gefangenschaft heimgekehrt war, haben sie geheiratet. Und die ist ein Bäsle gewesen vom letzten
Müller der uralten wunderschönen Seemühle im Körschtal unterhalb vom Schloss Hohenheim, die der Stuttgarter „Baureschultes“ Arnulf Klett dem guten Mann zwangsweise für ein Nasenwasser abgeflaucht
und danach sofort – Denkmalschutz hin, Denkmalschutz her – anno 65 einfach abgerissen und dem Erdboden gleichgemacht hat. Und diese Kulturschande hat nicht einmal der Heimatfreund und
Heimatdichter Wilhelm Hertig verhindern können. Und jetzt erinnert bloß noch die Straßenbahnbusendstation „Seemühlenweg“ und ein paar Ölgemälde an das verschwundene Bilderbuchbauwerk aus den
Tagen des Herzogs Carl Eugen.
Aber ganz viele erinnern sich noch an dessen Sprössling, den tapferen und freundlichen, den guten Wilhelm Hertig. Und meinen mit dem guten Theodor Fontane: „Der ist in tiefster Seele treu, der
die Heimat liebt wie Du.“
Der „junge süeze man“
Der erste Stauferkaiser Friedrich I. Barbarossa hatte sich von seiner kinderlos gebliebenen ersten Ehefrau Adela von Vohburg scheiden lassen wie der persische Schah von der Soraya, in zweiter Ehe
aber hat ihm die Beatrix von Burgund einen ganzen Stall voll Kinder geschenkt. Und ihr jüngstes Büble ist der Philipp von Schwaben gewesen. Und da der Vater den ums Jahr 1177 in Pavia oder
Umgebung geborenen Benjamin für eine geistliche Karriere bestimmt hatte, damit der eines schönen Tages mal Kardinal oder sogar Papst werden kann, hat er ihn ins Kloster Adelberg in die Schule
geschickt, und kein Wunder bei so einem Vater, wenn der junge Kerle dann mit kaum einmal vierzehn Jahren schon zum Bischof von Würzburg gewählt wird.
Dann aber ist der Barbarossa auf dem Weg ins Heilige Land im Saleph ums Leben gekommen und sein ihn auf dem Kreuzzug begleitender Sohn, der Herzog Friedrich von Schwaben, bei der Belagerung von
Akkon gefallen, und da hat Philipps ältester Bruder, der Kaiser Heinrich VI., gemeint, der Philipp soll doch seinen Bischofsmantel an den Nagel hängen. Und vorbei war der Traum, dass eines
schönen Tages der Kaiser ein Staufer und der Papst ein Staufer und die Welt in guten schwäbischen Händen ist und ewiger Frieden herrscht in Europa. Und der Kaiser hat den Philipp als Herzog von
Tuszien in der Toscana schaffen lassen. Und wie beider Bruder, der Tagdieb Herzog Konrad von Schwaben, anno 1196 in Durlach beim Ehebruch erschlagen worden war, hat er ihm das Geschäft als
Schwabenherzog auch noch aufgehalst. Und hat ihm auch ein bildschönes Prinzessle zur Gemahlin rausgesucht, die Irene Maria, Tochter des Kaisers Isaak II. Angelos Comnenos von Byzanz, die der
berühmte Minnesänger Walther von der Vogelweide als „ros ane dorn“ (Rose ohne Dorn) besungen hat.
Aber dann stirbt der Kaiser Heinrich VI. 1197 mit 32 Jahren in Messina an der Malaria, und weil dessen einziges Kind, der spätere Kaiser Friedrich II., erst drei Jahre alt ist, wählen die
Staufertreuen im Reich den guten Philipp am 8.März 1198 zum deutschen König und setzen ihm ein halbes Jahr später im Mainzer Dom die Reichskrone auf. Mittlerweile hatte aber die antistaufische
Opposition am 9.Juni den Sohn von Barbarossas Erzfeind Heinrich dem Löwen zum Gegenkönig gewählt, den Braunschweiger Otto IV. aus dem (gleichfalls schwäbischen) Geschlecht der Welfen. Und auch
der Papst Innozenz III. hat gemeint „Otto find ich gut“ und hat den Philipp und dessen Freunde exkommuniziert. Und jetzt geht im ganzen Reich jahrelang das Gehändel los: „Hie Welf! Hie Waibling!“
Und nach vielen Feldzügen, Schlachten und Scharmützeln hat der Philipp schließlich die Nase vorn und lässt sich 1205 in Aachen nochmals zum König wählen und sich von seinem ehemaligen Feind, dem
Erzbischof Adolf von Köln, nochmals die Krone aufsetzen. Und jetzt hebt auch der Papst anno 1207 den karriereschädlichen Kirchenbann auf.
Und alles wäre jetzt in Butter, der Otto IV. pfeift auf dem letzten Loch und der Philipp könnte jetzt nach Rom reiten und Kaiser werden. Da will er aber vorher noch die Hochzeit seiner
burgundischen Nichte Beatrix mit dem Herzog Otto von Meranien mitfeiern. Dessen Bruder ist der Bischof Ekbert von Bamberg, der Erbauer des dortigen Doms, und beider Schwester ist die heilige
Hedwig von Schlesien. Und am 21.Juni 1208 wird das Fest gefeiert, und das Brautpaar ist grad zur Hochzeitsreise aufgebrochen, da will sich der Philipp in der Alten Hofhaltung ein bisschen
ausruhen. Da kommt der bitterböse bayrische Pfalzgraf Otto von Wittelsbach in die Stube und haut mit seinem Schwert Philipps Halsschlagader auf, und der hoffnungsvolle Staufer, der laut
Minnesänger Vogelweide freundliche „junge süeze man“ bricht zusammen und verblutet. Armes Deutsch-, Schwaben- und Abendland!
Über die Motive dieses Königsmords streiten sich die Gelehrten bis heute. Die einen sehen in ihm einen Racheakt des Bayern, weil ihm der Philipp eine seiner Töchter zum Weib versprochen und sich
dann doch anders besonnen habe, andere vermuten eine politische Verschwörung gegen den guten Philipp. Auf jeden Fall kann der Wittelsbacher entkommen, und zur Strafe wird seine Stammburg bei
Aichach dem Erdboden gleichgemacht, und ein Jahr nach der ruchlosen Tat wird der flüchtige Mörder in einer Scheuer bei Regensburg erwischt, und der Reichsmarschall Heinrich von Kalden haut ihm
eigenhändig den Kopf runter und schmeißt ihn in die Donau.
Gut zwei Monate nach dem Mord stirbt seine junge Witwe am 27.August 1208 auf der Stammburg Hohenstaufen bei der Geburt einer Tochter.
Friegiebiger Fabrikant
Die Benger sind Reingschmeckte aus Frankreich, Hugenotten vom „Sonnenkönig“ nach der Aufhebung des Edikts von Nantes 1685 ihres Glaubens wegen aus ihrer Heimat vertrieben, und bettelarm hier in
Degerloch angekommen. Und der Strumpfweber Wilhelm Benger I. (1818-1864) hat anno 1844 seine eigene Werkstatt aufgemacht im „Gäßle“, in einem Häusle, wo man aus der Dachrinne saufen konnte, ohne
dass jemand so lang sein musste wie dumm. Und dort ist am 16. Mai 1851 sein Gottlieble auf die Welt gekommen. Und der Wilhelm ist ein fleißiger und wiefer Mann gewesen, und im Jahr darauf konnte
er dank Ferdinand (noch ohne von) Steinbeis „den ersten in Deutschland gefertigten Französischen Rundwirkstuhl“ aufstellen.
Und der Gottlieb hatte noch einen älteren Bruder, den Wilhelm Benger II. (1845-1896), und mit vier Jahren verliert er schon seine gute Mutter Magdalena, geborene Kaiser aus dem Degerlocher
Uradel, die stirbt mit fünfunddreißig. Und Lesen, Schreiben und Rechnen lernt er in der hiesigen Volksschule, und dann darf der gscheite Kerle als einer der ersten Buben des Dorfes in Stuttgart
auf die Schule. Und macht dann eine Lehre beim „Carl Neeff & Comp. in Stuttgart am Markt” (jetzt Breuningerbunker). Das ist ein Freund und Vetterle vom Vater gewesen und hat dem seinerzeit
das Geld ausgeliehen für seine modernen Maschinen im Gäßle, und seit 1858 in der neuen Fabrik an der Oberen Weinsteige am Josefsbuckel.
Im August 1864 verlegt der Vater seine Fabrik von Degerloch nach Stuttgart und stirbt (zur Strafe?) schon einen Monat später. Sein zweites Eheweib Julie, geborene Faut, wird jetzt die Chefin, bis
die anno 1874 auch stirbt, und dann machen die zwei Brüder als „Wilhelm Benger Söhne“ weiter und produzieren halt brav ihre Kittel, Kappen, Unterwäsche und Badehosen. Und erst als der Gottlieb
den Stuttgarter Professor Gustav Jaeger, den berühmten „Wolle-Jaeger“, fragt, ob sie nicht seine wollenen Hemmeder, seine Gesundheitswäsche, herstellen dürfen, und der Ja sagt, kommt der große
Erfolg und wird aus dem Benger „ein in allen Ländern und Weltteilen bekanntes, großartiges Fabriketablissement“. Und der Platz in der Sophienstraße reicht bald nicht mehr, und sie ziehen anno
1882 hinaus nach Heslach ond bauen auf der „grünen Wiese“ (vis-à-vis vom Erwin-Schoettle-Platz) eine riesige Fabrik, „eine der größten auf dem Kontinent“.
Und „wo jemals das Benger’sche Fabrikat auf Ausstellungen vertreten war, ist es prämiert und mit höchsten Auszeichnungen bedacht worden“. Und darum lauft auch das Geschäft so gut, dass sie bald
Filialen in Wien, New York und Barcelona aufmachen können, und weil die Österreicher mit dem Zoll aufgeschlagen haben, bauen sie anno 1885 einfach eine Fabrik im vorarlbergischen Bregenz. Und
unser Gottlieb, „ein gleichermaßen geachteter und geliebter Mann“ mit seiner „ungewöhnlichen Schaffenskraft und Arbeitsfreudigkeit“ wird sogar Rumänischer Generalkonsul und schreibt 1896
ein Buch mit dem (arg optimistischen) Titel „Rumänien, ein Land der Zukunft“, das wird sogar ins Englische und Französische übersetzt, und vom König Karl kriegt er die „Goldene Medaille für Kunst
und Wissenschaft 1.Klasse“ überreicht und beim König Wilhelm II. wird er obendrein „Geheimer Kommerzienrat“, und der Staatspräsident von Frankreich macht aus unserem Gottlieb sogar einen
„Officier de l’instruction de la Republique française“.
Seit 1878 ist er mit der Uhlbacher Gutsbesitzertochter Luise, geborene Currle, verheiratet gewesen, und in ihrer „sehr glücklichen Ehe“ kam ein Mädle zur Welt, ihre Martha, die hat dann später
den Sohn vom altwirtembergischen Bankhaus Doertenbach zum Gemahl genommen. Und „in dem idyllisch gelegenen Uhlbach“ hat sich der Gottlieb und seine Luise eine wunderschöne Villa bauen lassen.
„Wie viel Segen aus seinem allzeit offenen Haus für viele, besonders für sein Uhlbach geflossen ist, das weiß in Uhlbach jedes Kind.“ Denn unser Gottlieb ist kein so knickiger Neureicher gewesen
wie so mancher „Besserverdienender“ heutzutage, im Gegenteil, „durch seine Herzensgüte und seine immer offene Hand“ hat der Mann soviel Gutes getan, dass man das gar nicht alles aufzählen kann:
Kirchtürme und Kirchenorgeln, Kindergärten, Kinderheime und sogar Kaiserdenkmäler auf dem Karlsplatz hat er gestiftet, die Feuerwehren, den CVJM, den Verschönerungsverein und hundertfuffzig
andere Vereine hat er kräftig unterstützt.
Und „dieser großzügigste Mäzen in Stuttgart“ stirbt am 19.August 1903 zwei Monate nach der Silberhochzeit „so rasch im schönsten Mannesalter“. Und wenn alle Fabrikanten so gut gewesen wären wie
unser Gottlieb, dann hätte der Karl Marx Liebeslyrik und Indianergeschichten schreiben können. Denn „am meisten aber haben ihn seine vielen Arbeiter zu betrauern, denn sie verloren in ihm einen
wahrhaft väterlichen Freund. Reichliche Löhne und im Winter und Frühjahr namhafte Beiträge zu Holz, Hauszins und Konfirmation“ haben die erhalten. Und wegen der Konkurrenz aus den
„Billiglohnländern“ mit ihren Sklavenarbeitern ist, wie so viele andere edle schwäbischen Fabriken, leider auch die Firma „Wilhelm Benger Urenkel“ den Bach runter…